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Ein Ngô Thanh Hải für alle Fälle – das Interview

Wann immer Vietnamesen Hilfe brauchen, Senator Ngô Thanh Hải bzw. Thanh Hải Ngô steht schon zur Stelle und versucht mit Hilfe der kanadischen Regierung Lösungen zu finden. Aber wer ist eigentlich die Person Thanh Hải? Im Jahr 2014 nahm er im Zuge des Projekts „Pier 21“, des kanadischen Einwanderungsmuseums an einem Interview teil und erzählte über sein Leben.

Vielen Dank Herr Senator, dass Sie sich für das Interview bereit erklärt haben. Dann fangen wir auch gleich an. Wie lautet Ihr vollständiger Name?

Mein Name ist Thanh Hải Ngô.

Wo sind Sie geboren?

Ich bin in Phnom Penh, Kambodscha auf die Welt gekommen, da mein Vater beruflich als Diplomat in Phnom Penh tätig war.

Können Sie uns ein wenig über Ihre Eltern erzählen?

Nun, viel gibt es nicht über meine Eltern zu berichten. Mein Vater war sein gesamtes Leben lang Diplomat und arbeitete bis zu seiner Rente. Als er in den Ruhestand ging arbeitete er zuletzt in Paris.

Was führte Sie nach Kanada?

Also, ich hatte auch den gleichen Weg, wie mein Vater eingeschlagen und war selbst als Diplomat [von Südvietnam] tätig. Im Jahr 1973 wurde ich nach Bangkok, Thailand als Presseattaché gesandt. Ich arbeitete dort bis zum April 1975, das Datum als das kommunistische Nordvietnam Südvietnam eroberte und das Land einnahm. Zu dieser Zeit wurden wir sozusagen staatenlos. Aufgrund meiner Arbeit in der Botschaft kannte ich einige Mitarbeiter der kanadischen Botschaft und man fragte mich, ob ich nicht das Kanada gehen würde. Ich erhielt noch weitere Angebote nach Frankreich, Australien, Spanien und sogar die Möglichkeit als Hochschulprofessor an der Universität von Taiwan zu unterrichten. Aber irgendwie und warum auch immer entschied ich mich für Kanada. Vielleicht lag es daran, dass ein kanadischer Kollege meinte: „Wenn du nach Ottawa kommen würdest, dann könntest du bei deinem Arbeitsweg immer über den Kanal Schlittschuhlaufen.“ Da dachte ich mir, das klingt gut: Auf dem Kanal Schlittschuhlaufen. In Wirklichkeit hatte ich überhaupt nicht verstanden, was gemeint war, denn als Asiate hatte ich über Eislaufen noch nie was gehört. Um es kurzzufassen, wir hatten überhaupt keine Ahnung wohin wir gehen sollten. Auf den Vorschlag meines kanadischen Kollegen, dass Kanada eine gute Wahl wäre und insbesondere Ottawa, wo Bilingualismus ein Vorteil ist. Und so kam ich nach Kanada.

Sie sprechen sowohl Englisch als auch Französisch?

Ja, das kann ich. Ich hatte Französisch an der Pariser Universität Sorbonne studiert. Während der Sommerferien bin ich nach London, England gegangen, um Englisch als Zweitsprache zu lernen. Man kann also sagen, dass ich Englisch und Französisch zu jener Zeit ziemlich gut sprechen konnte.

Originalinterview


Wann Sind Sie nach Kanada gekommen, an welchem Datum?

Soweit ich mich noch erinnern kann, war es der 27. Mai 1975. Wir kamen morgens um 3 Uhr in Ottawa an und vorgesehen war, dass uns ein Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde treffen sollte. Aber um 3 Uhr war niemand dort, sodass meine Frau, ich und meine beiden Kinder ein Taxi nahmen. Wir waren so erschöpft und ich sagte zum Fahrer, dass er uns zu irgendeinem Hotel bringen sollte, wir wollten einfach nur noch schlafen. …und wissen Sie was? Der Fahrer brachte uns zum teuersten Hotel von Ottawa, ins Château Laurier. Am nächsten Tag, als wir zum Sachbearbeiter für Einwanderung gingen, sagte der: „Herr Ngô, verlassen Sie das Hotel, wir haben ein günstigeres für sie gefunden.“ – das war natürlich eine lustige Geschichte, letztendlich landeten wir zu jener Zeit in einem gewöhnlichen Hotel. Zwei Wochen später fand ich dann eine Zweizimmerwohnung.

Was wussten Sie damals bei Ihrer Ankunft über Kanada?

Um ehrlich zu sein, wusste ich gar nichts darüber. Man sagte mir nur, dass ich aufgrund meiner Zweisprachigkeit am besten nach Ottawa gehen sollte. Ich meinte, gut und wo ist Ottawa? Von Montreal hatte ich schon mal gehört. Um es ganz frei zu sagen, ich hatte keine Ahnung, was Kanada, Ottawa oder Montreal betraf. Im Grunde kamen wir in ein fremdes Land, es war an einem 27. Mai und es war für uns zu dieser Jahreszeit sehr kalt.

Was waren Ihre ersten Eindrücke von Ottawa?

Nun es war 3 Uhr morgens, als wir hier landeten und wir hatten somit keine Chance irgendwelche Menschen anzutreffen. Die erste Person war der Taxifahrer als wir zum Hotel fuhren. Am nächsten Tag empfand ich die Leute in Ottawa sehr freundlich und sehr hilfsbereit. Zu dieser Zeit hatte die Regierung noch gar keine Maßnahmen, wie man Flüchtlingen helfen könnte, da man sich mit Flüchtlingen nicht auskannte. So mussten wir alles alleine bewältigen, natürlich durch Hilfe des Mitarbeiters der Einwanderungsbehörde. Aber das war es dann auch. Weil ich in meiner Zeit als Diplomat vorher viel gereist war, wie Malaysia oder Singapur, war es für mich und meiner Familie nicht schwer sich in die kanadische Gesellschaft zu integrieren.

Was war hier Ihr erster Beruf in Kanada?

Tja, das ist eine weitere Geschichte: Als ich mit meiner Familie nach zwei Wochen die Wohnung gefunden hatte, versuchten wir uns für Stellen zu bewerben. Gutgläubig schickte ich all meine Qualifikationen mit, um mich bei allen Positionen, wie Vertrieb, Büroangestellter usw. zu bewerben. Und bei den ersten Vorstellungsgesprächen sagte man mir: „Tut uns leid, Sie sind überqualifiziert.“ Ich fragte die Leute, warum das ein Problem sei. Ich könne den Job ausüben und überqualifiziert zu sein, das sei doch gut und ich würde für weniger Geld arbeiten. Da antwortete man mir: „Nein, das ist nicht möglich. Das Gesetz verlangt sie angemessen ihrer Position zu bezahlen und mit Ihrer Qualifikation ist uns das nicht möglich“. So hatte ich daraus gelernt und beim nächsten Vorstellungsgespräch bei einem Optiker gab ich vor nur einen Abschluss einer fortführenden Schule zu haben und ein Semester an einer Universität absolviert hätte. Der Geschäftsleiter akzeptierte es, weil ich Englisch und Französisch sprach. Das war also meine erste Arbeit. Ich erinnere mich noch an das Unternehmen, existiert leider heute nicht mehr, es hieß „Imperial Optical“. Der Geschäftsleiter fragte mich: „Wieviel wollen Sie verdienen?“ Ich antwortete, dass ich es nicht wüsste und fragte ihn, wieviel er mir bezahlen würde. Er setzte sich an seinen Tisch und fragte mich, wie groß meine Familie sei, dann begann er zu rechnen. Er fragte mich, ob $200 pro Woche in Ordnung wären. Ich sagte sofort, okay, das sei gut. Die $200 in der Woche waren also mein erster kanadischer Lohn bei „Imperial Optical“. Der Geschäftsführer war ein sehr verständnisvoller Mensch und wusste von meinen Qualifikationen. Nach einem Monat fragte er mich: „Sind Sie sich sicher, dass Sie nur ein Jahr die Universität besucht haben?“ Ich entschuldigte mich bei ihm und sagte, dass ich vier Jahre absolviert und einen Bachelor in Frankreich gemacht hatte.

Er antwortete: „Nun gut, ich habe es irgendwie gemerkt.“ Ich sagte zu ihm, dass ich den Abschluss in Pädagogik hatte und er fragte mich, warum ich mich nicht beim Ministerium für Bildung bewerben würde. Er bat mich es zu versuchen und ich bewarb mich dort. Ich erhielt eine Antwort vom Ministerium, dass man meinen Abschluss nicht anerkenne und ich nach Toronto zu einer Prüfung kommen müsste.

Ich fuhr also dorthin und absolvierte die Prüfung und erhielt ein temporäres Zertifikat für ein Jahr zur Ausübung eines Lehramts. Man sagte mir, dass ich während dieser Zeit in Ottawa wieder zur Universität müsste, um einen anerkannten Abschluss nachzuholen. Ich war damit einverstanden und holte meinen Bachelor nach, d.h. morgens gab ich Unterricht und abends lernte ich für meinen Abschluss, ich musste alles wiederholen und schloss schließlich noch mit dem Master an der Universität von Ottawa ab. Ich bedankte mich noch beim Geschäftsführer aus dem Optik Betrieb, der mir den Tipp gegeben hatte.

Etwa 20 Jahre später wollte ich nochmal den Optiker aufsuchen und den Geschäftsführer besuchen, leider war die Firma da schon pleitegegangen. Ja, …so war das mit meinem ersten Job.

Wie lange hatten Sie die erste Arbeitsstelle ausgeübt?

Beim Optiker war ich sieben Monate. Als ich meine temporäre Lehrberechtigung erhielt, bewarb ich mich über die Schulbehörde bei einer Schule im März 1976. Dort ging gerade eine Lehrerin in Mutterschaft und nach den Märzferien sagte der Schuldirektor, dass man mich von März bis Juni einstellen würde. Das war also meine erste Tätigkeit im Bereich der Pädagogik. Danach bewarb ich mich bei einer anderen Einrichtung und arbeitete dort von Juni 1976 bis zum Jahr 2004.

Nachdem Sie eigentlich Ihr Rentenalter erreicht haben, sind Sie noch immer beschäftigt?

Klar, sehr. Schon kurz davor ernannte mich der damalige Vizeministerpräsident John Manley (die Liberalen) zum Vorsitzenden des Employment Insurance Board of Referees. Ich war dort von 2002 bis 2007 tätig. Als dann 2007 die Konservativen an Macht kamen, wurde ich Amtsrichter für Staatsbürgerschaft und Einwanderung und wieder fünf Jahre später im Jahr 2012, wollte mich der Ministerpräsident zum Senator ernennen. Er fragte mich: „Sind Sie damit einverstanden?“ Ich zögerte ganz kurz und sagte dann, dass ich die Ernennung akzeptiere. Die Bedingung war, dass ich dann mein Richteramt niederlegen müsse. Ich teilte es meinen Kollegen im Gericht mit, sagte aber, dass sie es erstmal geheim halten sollten bis die offizielle Vereidigung durch den Ministerpräsidenten erfolgt.

Da ich sehr viel mit den vietnamesischen Gemeinschaften zu tun habe und Vietnamesen einen wichtigen Teil der kanadischen Bevölkerung ausmachen, dachte ich mir, dass es nun auch Zeit werde, als erster kanadisch-vietnamesischer Senator die Menschen zu vertreten. Ich bin stolz ein Teil des parlamentarischen Systems geworden zu sein.

Erzählen Sie mir etwas über Ihre Zeit als Richter.

Nun die Zeit als Richter für Einwanderung und Staatsbürgerschaft war nicht einfach, weil sie derjenige sind, der Anträge annimmt oder ablehnt. Sie entscheiden über das Leben der Leute. Es ist anstrengend, manchmal machen Sie eine Entscheidung, wo Sie nicht viel nachdenken müssen, aber dann gibt es Momente, wo Sie widerwillig einen Antrag ablehnen. Letztendlich müssen Sie dem Gesetz folgen, den Verordnungen folgen und das macht die Entscheidungsfindung manchmal sehr schwer.

Wie sind Sie in der vietnamesisch- kanadischen Gemeinschaft involviert?

Bevor ich überhaupt Lehrer, Richter oder Senator wurde, war ich schon Aktivist für Menschenrechte, weil mein Land kommunistisch wurde. Die Menschen dort haben keine Menschenrechte, also alles das was wir hier haben, existiert dort nicht. Und deshalb kämpfe ich dafür. Jetzt als Senator habe ich viele Möglichkeiten. Ich kann die Stimme für die Menschen im Süden Vietnams erheben. Ich kann bei der offiziellen Delegation aus Vietnam eingreifen und meine Besorgnis gegenüber den stellvertretenden

Ministern, die nach Kanada reisen, äußern. Dazu gehören Themen, wie die Verletzung der Menschenrechte und die willkürliche Verhaftung von Bloggern in Vietnam. Ich bitte dann, dass diese Menschen freigelassen werden. Ich äußere mich zu vielen Dingen und ich glaube, dass ich dadurch etwas erreichen kann. Bisher entließ Vietnams kommunistische Regierung einige Menschen zurück in die Freiheit. Deshalb bin ich der Meinung, dass meine Arbeit noch nicht getan ist, solange es in Vietnam keinen Wandel gibt.

War Ihre Entscheidung nach Kanada zu kommen die richtige?

Rückblickend, trotz der vielen Angebote nach Frankreich, Spanien, Australien oder als Lehrkraft nach Taiwan zu gehen, muss ich sagen, dass ich irgendwie mit Kanada die richtige Wahl getroffen habe. In Kanada gibt es Vielfalt, multikulturelle Gesellschaft, jedem wird eine Chance gegeben und jeder kann das, entsprechend seinen Fähigkeiten ausüben, was er möchte. Das Bildungssystem ist gut, so würde ich sagen, dass ich grundlegend die richtige Wahl getroffen habe, ohne es zu wissen. Es war aber auch eine harte Zeit. Am Anfang, als wir hier ankamen, hatten wir manchmal zwei bis drei Jobs. Ich war der glückliche, der nur eine Arbeitsstelle brauchte. Die anderen Vietnamesen, die in den 1980er Jahren hier ankamen brauchten oft zwei bis drei Jobs zum Überleben. Viele hatten Sprachprobleme, viele waren frühere Offiziere und sprachen deshalb meist nur Vietnamesisch und in ein Land zu kommen, wo Französisch und Englisch gesprochen wird, das war nicht einfach. Für die erste Generation war es sehr schwierig, die zweite Generation hatte es etwas besser. Die dritte Generation ist hier geboren, lebt hier und Französisch und Englisch sind für sie keine Hürde.

Sprachen Sie Vietnamesisch mit ihren Kindern?

Zu Hause sprachen wir Vietnamesisch und in der Schule sprachen sie Englisch oder Französisch. Damit sie die alte Sprache nicht vergaßen, zwang ich sie daheim Vietnamesisch zu sprechen. Für die Kinder war es natürlich nicht einfach, draußen und in der Schule war Französisch und Englisch ganz einfach. Aber dadurch können meine Kinder noch Vietnamesisch, sogar meine Enkelkinder.

Wie viele Enkelkinder haben Sie?

Ich habe sieben Enkelkinder von drei meiner Töchter. Mein Sohn hat gerade geheiratet, aber noch keine Kinder…aber das kommt noch. Vielleicht sind es dann acht oder neun Enkelkinder, jedenfalls ist es eine große Familie. Es ist auch ein Glück, dass alle hier in der Region leben. Meine Kinder gingen in Ottawa zur Schule, auf die Universität von Ottawa und leben in der Nähe von meinem Haus in Ottawa. Andere müssen aufgrund der Arbeitssuche umziehen und wir hatten das Glück, alles in dieser Stadt zu bekommen.

Wie hat sich ihr heutiges Essverhalten gegenüber damals, als sie hier ankamen, verändert?

Da hat sich nicht viel verändert, meine Frau kocht noch immer vietnamesische Gerichte. Mir gefällt aber auch die französische Küche. Jedenfalls hatten wir keine Schwierigkeiten uns an das Essen in Kanada zu gewöhnen. Wir aßen meist zu Hause, gingen aber auch manchmal ins Restaurant.

Meine Kinder essen Hamburger und Hotdogs…sie hatten sich gut daran gewöhnt. Ich würde sagen, dass wir damit keine Probleme hatten, aber wir haben uns auch nicht stark verändert. Mit dem Wetter bin ich auch zurechtgekommen. Als wir hier das erste Mal ankamen war es kalt und anschließend gab es Schnee. Im Jahr darauf auch…wir hatten uns also sehr daran gewöhnt. Ich glaube die Vietnamesen können sich schnell an die kanadische Gesellschaft und an das Wetter hier gewöhnen.

Sind Sie jemals auf dem Rideau-Kanal Schlittschuh gelaufen?

Haha, nein leider nicht. Ich bin auch kein guter Eisläufer. Als man mir damals sagte, dass ich mit Schlittschuhen über den Kanal zur Arbeit laufen könnte…das habe ich erst später realisiert, dass viele Leute tatsächlich so zur Arbeit unterwegs sind. Nein, aber Eislaufen ist nichts für mich.

Vielen Dank, für das Interview.


Mehr über Senator Ngô Thanh Hải
http://senatorngo.ca


Quelle:
https://youtu.be/qbiMIrC_R3s