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Stop den Menschenhandel! Jetzt!

Ein Bericht über die Arbeit von Pfarrer Nguyến Văn Hùng in Taiwan.

Hamburg, 27.05.2006, 15 Uhr. Pfarrer Nguyến Văn Hùng kommt von weit her. Er ist bis vor kurzem noch in den USA gewesen. Nach Deutschland wird er seine Reise in andere europäische Staaten fortsetzen. Aber nun ist er erstmal in Hamburg, um über seine Arbeit, besser gesagt, über seine Lebensaufgabe, zu erzählen. Cha Hùng ist Vorsteher des Vietnamese Migrant Workers & Brides Office (VMWBO) in Taiwan. Wie der Name schon sagt, ist diese Einrichtung für notbedürftigte vietnamesische Arbeiter und Ehefrauen gedacht, die Zuflucht suchen. Diese Menschen sind Opfer von Gewalt, von Misshandlung und Vergewaltigung sowie von Betrug und Justiz.

In dieser Einrichtung finden sie einen Schlafplatz, Verpflegung sowie seelischen Beistand. Cha Hùng und seine Mitarbeiter begleiten die Geschädigten auch ins Gericht, um gegen ihre Peiniger und Schänder vorzugehen, und unterstützen sie bis zum Ende der Verhandlung. Das VMWBO geht aber noch weiter. Es bringt die Schicksale dieser Opfer an die Öffenlichtkeit. Es fordert die Regierung auf, den Menschenhandel zwischen Vietnam und Taiwan zu stoppen.

100.000 vietnamesische Arbeiter und 95.000 vietnamesische Ehefrauen von Einheimischen leben in Taiwan. Es ist die Rede von Menschenhandel. Ferner wird sogar von Sklaverei gesprochen. Passen diese harten Begriffe wirklich zu dem, was den Vietnamesen in Taiwan widerfährt? Wie kommt es, dass überhaupt so viele Vietnamesen in Taiwan leben? Was machen sie in Taiwan? Wenn die Opfer Vietnamesen sind, warum schreitet der vietnamesische Staat nicht ein?

Um dieser Sache auf den Grund zu gehen und zu verstehen, muss die Recherche in Vietnam anfangen. An dem Ort, wo die tragischen Geschichten dieser Menschen beginnen:

Viele Familien in Vietnam sind arm. Die Löhne der Eltern reichen nicht aus, um den Grundbedarf einer Familie zu decken. Aufgrund des Mangels an Nahrung und Medikamenten sind die Kinder unterernährt, und es ist nicht selten, dass sie Behinderungen aufweisen. Diese Kinder müssen auf den Straßen arbeiten und betteln, um zu überleben. Was können ihre älteren Geschwister gegen dieses Dilemma tun? Ohne Schul- und Berufsausbildung – auch hier fehlte es an Geld - erwartet ihnen das gleiche Schicksal wir ihre Eltern: Schlechtbezahlte Jobs, mit denen sie sich kaum über Wasser halten können.

Den einzigen Ausweg, den sie für sich und ihre Familie sehen, sind diese beiden Möglichkeiten:

Das Verheiraten vietnamesischer Frauen mit Taiwanern

Viele junge Frauen aus solchen Familien gehen zu Verkupplungsagenturen. Diese „Agenturen“ stehen weder in der Zeitung noch existiert ein Eintrag von ihnen im Branchenverzeichnis. Doch jeder kennt sie. Die Ratschläge, einen wohlhabenen Taiwaner zu heiraten und somit die Familie unterstützen zu können, kursieren in jedem vietnamesischen Dorf. Die Frauen werden zu einem Zeltlager gebracht, in dem sie zu 30 oder mehr auf ihre zukünftigen Ehemänner warten. Die Männer kommen dann ins Lager und suchen sich eine Frau aus – wie an einem Obststand auf dem Markt. Sind sie nicht so wählerisch und müssen die Ware nicht erst vom Nahen begutachten, dann können sie auch bequem von zu Hause „bestellen“. Dazu benötigen sie nur den Katalog mit den vietnamesischen Frauen und eine Kreditkarte.

Nach der Eheschließung bzw. nach dem Kauf gehört die Frau dem Mann. Da diese Männer weder Anstand noch Moral kennen, benutzen sie ihre Frauen als Sexsklavinen, um ihre Perversionen auszuleben. Die Frauen müssen für ihre Aggressionen und Wutausbrüche herhalten; sie werden geschlagen, gefoltert und gequält.

Es gibt auch Männer, die schon bereits eine Ehefrau und eine Familie haben. Die Anschaffung einer zweiten Ehefrau, einer Leibeigenen, ist trotzdem ganz praktisch und rentabel, weil diese universell einsetzbar ist. Sie stillt nicht nur den Sextrieb des Mannes, sondern bedient auch seinen Vater und seinen Bruder. Sie dient als Haus- und Kindermädchen, sie ersetzt auch teilweise den Ernährer und arbeitet für die Familie. So bleibt der Vietnamesin kaum Geld für sich übrig, geschweige denn für ihre Familie in Vietnam.

Viele Frauen flüchten deshalb vor ihrem Mann oder lassen sich von ihm scheiden. Doch nur die Wenigsten schaffen dieses. Auch verlangt der Mann Abfindungsgeld, welches sie selbstverständlich nicht hat.

Sollte es doch eine Frau schaffen nach Vietnam zurückzukehren, so traut sie sich kaum die Wahrheit über ihre Zeit in Taiwan zu erzählen. Welche Frau, welcher Mensch, würde sich trauen, die Misshandlungen und Vergewaltigungen an seiner Person preiszugeben?

Und so ist auch die gigantische Zahl von 95.000 vietnamesischen Ehefrauen zu erklären.

Konkrete Fälle kann man unter folgenden Links finden:
http://unser-vietnam.de/index.php?option=com_content&task=view&id=70&Itemid=96

http://unser-vietnam.de/index.php?option=com_content&task=view&id=56&Itemid=96

http://unser-vietnam.de/index.php?option=com_content&task=view&id=52&Itemid=96


Das dubiose Geschäft mit den vietnamesischen Arbeitskräften

Das Gerücht, man verdiene monatlich 500 US$ in Taiwan, verbreitet sich wie ein Lauffeuer unter den Vietnamesen. Kein Wunder, denn 500 US$ sind das Zehnfache vom Durchschnittsgehalt eines Vietnamesen. Das Durchschnittsgehalt ist aber nicht das Gehalt, welches die Mehrzahl der Vietnamesen bekommt. Es liegen Welten zwischen den Gehältern der Gutverdienenden und der normalen Arbeiter. Und so ist das Gehalt der größten Arbeiterklasse noch niedriger als 50 US$. 17% der Bevölkerung verdienen nicht mal 1 US$ am Tag. Vom dem hohen Gehalt von 500 US$ versprechen sich die Vietnamesen ein besseres Leben und eine bessere Zukunft. Das wird ihnen auch beim Vertragsabschluß in der vietnamesischen Behörde versichert.

Auf dem ersten Blatt des Arbeitsvertrags stehen die Personalien des Arbeitnehmers und die Arbeitsbedingungen, welche folgendermaßen lauten: Die Arbeitsdauer in Taiwan umfasst 24 Monate, der Gesamtverdienst beträgt 12.000 US$ – das macht 500 US$ im Monat. Will sich jemand den Rest des Vertrags ansehen, wird einem geraten, den dicken Stapel nicht anzusehen, weil dieser sowieso nur unwichtige und nebensächliche Vertragsklauseln beinhalte. Außerdem würde das Durchlesen des Vertrags dem Beamten wertvolle Zeit rauben, da ein großer Andrang von Arbeitssuchenden draußen vor der Tür warte. Wer zögere, werde nicht genommen. Das einzig Wahre in den Worten des Beamten ist das mit dem großen Andrang. Denn das Entscheidende steht erst ab Seite 2. Aber mehr dazu später.

Das Risiko, nicht nach Taiwan gehen zu können, erscheint in diesem Augenblick für den Unterschreibenden höher als das eines Betrugs. Also unterzeichnet er den Vertrag – und unterschreibt somit seine Zustimmung, einer taiwanesischen Firma zwei Jahre lang als Sklave zu dienen.

Den Flug nach Taiwan kann er nicht alleine bezahlen und leiht sich daher das Geld von seiner Familie und seinen Verwandten. Mit einem so hohen Gehalt würde er binnen weniger Monate alles zurückzahlen können.

In Taiwan erwartet den Neuankömmling schwere Arbeit. 12 Stunden am Tag. Und oft kommt es vor, dass er einer Arbeit nachkommen muss, für die er sich gar nicht gemeldet hat. Aber unser Vietnamese ist gewohnt schwer zu arbeiten und beschwert sich nicht. Doch ihn wundert es schon, dass ihm gleich zu Beginn seines Aufenthalts der Pass und andere Dokumente entzogen worden sind. Sein Misstrauen wächst weiter an, als er nach einem Monat Arbeit noch keinen Lohn bekommt. Er fragt bei seinem Chef nach, und dieser antwortet ihm, er müsse erstmal 5.000 US$ abarbeiten – das sind die Gebühren, die er an die vietnamesische Behörde zahlen muss. Das stehe doch auf seinem Arbeitsvertrag, auf Seite 2. Im Klartext bedeutet dies, dass er zehn Monate arbeiten muss, ohne auch nur einen Cent vom Geld zu sehen. Aber das ist nicht das einzige Geld, welches er zurückbezahlen muss. Auf Seite 3 und auf den folgenden Seiten sind Versicherungs- und Darlehensverträge, die er automatisch mit seiner Unterschrift auf der ersten Seite abgeschlossen hat. Ein Vietnamese, der sein Land verlässt (auch nur kurzfristig), muss Versicherungen für sein Haus, sein Grundstück und eine Krankenversicherung für sich selbst abschließen. Da dieser zu dem Zeitpunkt des Abschlusses noch kein Geld besitzt, bekommt er gütigerweise gleich ein Bankdarlehen, welches ebenson dazu beiträgt, dass seine Schulden von Monat zu Monat enorm ansteigen.

Wenn der Betrogene alle 24 Monate durchhält, und das jeden Tag 12 Stunden, dann hat er all seine Schulden abbezahlt. Nun gut, aber was soll er essen? Wovon soll er leben? Wovon soll seine Familie daheim in Vietnam leben, die ihre ganze Hoffnung auf ihn gesetzt hat?

Die einzige Möglichkeit über die Runden zu kommen ist noch mehr zu arbeiten. Der zweite Job ist Schwarzarbeit, da der Arbeitsvertrag nur 12 Stunden erlaubt. Allerdings ist Schwarzarbeit illegal. Logischerweise. Aber es ist nicht logisch, dass Sklaverei legal ist.

Mit der zusätzlichen Arbeit kommen wir auf die 16 bis 18 Stunden am Tag. Und das hält niemand lange durch. Auch nicht die arbeitstüchtigen vietnamesischen Sklaven. Daher tauchen sie unter, fliehen vor ihrem Arbeitgeber und arbeiten nur noch schwarz. Aber nun haben sie ein weiteres Problem, die Polizei. Werden sie von der Polizei gestellt, erwartet sie eine lange Gefängnisstrafe. Das Urteil lautet: Vertragsbruch mit dem Arbeitgeber und illegale Arbeit. So wird das Opfer zum Täter, der Täter zum Opfer.

Die Wenigen, die 24 Monate durchhalten und alle Schulden beglichen haben, für die könnte nun das sorgenfreie Leben beginnen. Ein Pech, dass eine Verlängerung des Arbeitsvertrags nicht möglich ist.

Hinzufügen sollte man noch die niedrige bzw. nicht vorhandene Arbeitssicherheit in den taiwanischen Betrieben. Es gibt zum Teil nicht mal Arbeitshandschuhe oder –kleidung. Es ist nicht selten, dass die Arbeiter verletzt werden. Verlieren sie durch einen Unfall ihre Finger, Hände oder Füße, so dass sie ihrer Tätigkeit nicht mehr nachgehen können, werden sie fristlos entlassen. Die teure Krankenversicherung hilft ihnen da nicht weiter – sie gilt nur für Vietnam. Es gibt einen Arbeitsschutz. Dieser muss aber erst vor Gericht eingeklagt werden. Doch den Betroffenen fehlen Geld und Sprachkenntnisse, um ihre Rechte durch einen Anwalt vertreten zu lassen.

Nein, der Menschenhandel, die Sklaverei ist längst nicht mehr das kleine Geschäft hinter verschlossenen Türen. Sie hat eine gigantische Form angenommen. Rund 200.000 vietnamesische Sklaven gibt es in Taiwan. Wenn man so etwas Derartiges hört, dann fragt man sich: „Warum tun die vietnamesische und taiwanische Regierung nichts dagegen?“

– Warum sollen diese Regierungen gegen etwas unternehmen, was sie selbst geschaffen haben? Die vietnamesische Regierung verkauft unnötigen Ballast, von dem sie genug vorrätig hat, an Taiwan. Taiwan freut sich auf billige Arbeitskräfte, die keine Rechte haben und jederzeit ersetzbar sind. Der Geldtransfer findet somit nur zwischen Vietnam und Taiwan statt. Das Geld bekommt der Betrogene nie zu sehen.

Da der Handel mit Menschen so gut läuft, wollen auch andere Nachbarstaaten ein Stück vom Kuchen abhaben. China, Laos, Thailand, Malaysia und Singapur sind schon bereits ins Geschäft eingestiegen.

Näheres über Pfarrer Nguyến Văn Hùng und das VMWBO ist hier zu finden:
www.taiwanact.net

www.vietact.org

Ein vietnamesischer Bericht über Cha Hungs Besuch in Hamburg: http://www.lenduong.net/article.php3?id_article=17252