Vietnam - mon amour

Zu dem Start des zweiten GRÜNHELME Projektes in Phu Loi erscheint ein Vietnam Buch


14. Mai 2006


An Vietnam hat sich eine ganze Generation damals gestritten und geteilt in Deutschland. Mittlerweile ist die Geschichte weitergegangen, aber die Traumata sowohl des Krieges wie der brutalen kommunistischen Unterdrückung sind noch nicht ganz bewältigt. Das Land hat immer noch nicht die ganze Freiheit, so etwas zu erlauben wie im Post-Apartheid Südafrika wie eine „Truth and Reconciliation Commission“, die alles schonungslos aufdeckt.

Gerade in den Tagen, da die Grünhelme ihr zweites Projekt in Phu Loi beginnen, kommt ein Buch in Deutschland heraus, das von zwei Experten geschrieben ist, die beide den Konflikt in sich noch mal personifizieren. Heinz Kotte ist schon 2003 in Köln gestorben, hat aber noch Stücke der Reportagen mitgeschrieben. Gemeinsam mit dem Südostasien Historiker Rüdiger Siebert. Titel: „Vietnam hautnah. Ein Land im Umbruch“.

Heinz Kottes Aktivität reicht zurück bis 1967, als er für den Maltheser Hilfsdienst mit der humanitären Arbeit begann. Der Krieg war wie jeder Krieg: Die Zivilbevölkerung wurde nicht geschont. Das erste Kapitel schildert die Erlebnisse, die der junge Maltheser Helfer damals im Lager Mau Chan in der Nähe von Da Nang hatte. Er beschreibt, wie sie nach einem Angriff zwei verkohlte Männer in einer Hütte sahen.

 Ihre Hände waren verkohlt und abgefallen. „Die Fotos, die ich mit viel Überwindung von dem Gräuel gemacht hatte, haben die Zensur nicht passiert. Die Überlebenden schauten uns mit großen fragenden Augen an.“ Es war die Zeit, da ein erstes großes deutsches Schiff von der Bundesregierung als ihr Beitrag an die Küste Vietnams geschickt wurde: Das deutsche Hospitalschiff „Helgoland“, das mit einem großen Operationssaal vor Da Nang vor Anker lag und in das auch Heinz Kotte und seine deutschen Maltheser ihre Schwerverletzten bringen durften.


Der Hauptteil des Buches gilt aber dem langsam, viel zu langsam auftauenden und aus der kommunistischen Erstarrung wieder aufblühenden Vietnam. Das Buch macht in seinen einzelnen Kapiteln mit der Geschichte des tausendjährigen Vietnams ebenso bekannt wie mit seinen neu aufbrechenden Wirklichkeiten. P. Alexandre de Rhodes SJ wird zitiert, der berühmte Jesuit, der in der Hafenstadt Hoi An seinen Fuß zum ersten Mal auf vietnamesischen Boden setzte. Er war mitverantwortlich dafür, dass wir in Vietnam das lateinische Alphabet bekamen, die sich im 20. Jahrhundert über all in Vietnam durchsetzte und die von den chinesischen Schriftzeichen abgeleitete Chu-Nho Schrift ablöste.

Die Autoren kommen ins Gespräch mit Vietnam-Chinesen, die nach 1975 ins Umerziehungslager kamen. Sie berichten von der Enklave Khe Sanh, die die USA als Ihre militärische Basis einrichteten. „Khe Sanh Combat base“ wurde 1966 auf der windigen Hochebene zu einer Bergfestung ausgebaut. Von hier aus sollte dem Eindringen der nordvietnamesischen Truppen Widerstand entgegengesetzt werden. Mit allen militärischen Mitteln der Weltmacht USA. Die Berge ringsum waren von den Nordvietnamesen bereits eingenommen und mit Granatwerfern, Artillerie, Raketen besetzt.

Die US Army unter General Westmoreland baute die Festung zu einem Stützpunkt für 6.000 Mann aus, der nur aus der Luft versorgt werden konnte. Dramatischer Höhepunkt war die 75tägige Belagerung, die am 21. Januar 1968 begann. Im „Weißen Haus in Washington war eigens ein Sandkastenmodell von Khe Sanh aufgebaut worden“, so wichtig wurde das Kriegsgeschehen hier bewertet. ..Zu spät begriffen die US-Generäle, „dass die Belagerung nur ein Ablenkungsmanöver war, das die berüchtigte Tet Offensive an all den anderen Orten Südvietnams vorbereitete und das mit dazu beitrug die Gis und ihre Helfer in die Irre zu führen.“

Khe Sank wurde zu einem Synonym für Sinnlosigkeit. Hunderte von Amerikaner und Südvietnamesen mussten hier sterben. US Flugzeuge warfen 100.000 Tonnen Bomben ab. Noch Jahrzehnte danach sterben hier Menschen, die Reste der Todesfracht aufheben, die bislang nicht explodiert sind.

Das Buch erzählt davon, wie es in Vietnam immer noch nicht volle Rede und Gedankenfreiheit gibt. So wird von der Schriftstellerin Duong Thu Huong berichtet. Sie ist 1947 im Norden geboren, sie hat freiwillig an der Front gekämpft. In Ihrem „Roman ohne Titel“ lässt die Autorin die Schrecken des Krieges in der Perspektive des Militärkommandanten Quan noch einmal erleben. Ihr Buch erzählt auch vom Preis des Sieges: vom Verlust der Menschlichkeit, von den Wunden der Seele, vom schwarzen Loch der verratenen Träume und der ermordeten Utopie.

Deshalb konnte das Buch auch nicht in Vietnam erscheinen. 1991 saß die Autorin ein halbes Jahr im Gefängnis. Dann gehörte sie zu den misstrauisch überwachten Intellektuellen. Keines Ihrer Bücher ist im Handel zu haben. Fotokopierte Raubdrucke von Duong Thu Huong werden auf offener Straße in Hanoi und Saigon angeboten. „Vietnam hat noch eine Menge mit seiner Vergangenheitsbewältigung zu tun. Die Ideale der Befreiung und die Realität mehr als drei jahrzehnte später bilden die Konfliktpole der Erzählung“.

Das Buch ist ein Anti-Kriegsroman (deutsch auch zu haben). Die Verwandtschaft zu dem berühmtesten deutschen Anti-Kriegsroman ist unübersehbar. Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues. Duong Thu Huongs Buch aber sei vielschichtiger, radikaler: Im Osten was Neues.“

Es geht noch mal um den 11. Juni 1963, als sich der Mönch Thich Quang Du auf einer Straßenkreuzung selbst verbrannte. Es geht um den Tag, da auf Anweisung des US-Präsidenten Kennedy der vietnamesische Präsident Ngo Ding Diem aus einer katholischen Kirche in Cholon herausgeholt und schrecklich ermordet wurde. Und damals John F. Kennedy sich sagen musste, was ein US-amerikansicher Autor Stephen Kinzer berichtet: „The first Catholic ever to become a Vietnamese chief of state was dead, assassinated as a direct result of a policy authorized by the first American Catholic president.“

Die Grünhelme haben die erste Nachricht bekommen von dem Platz Phu Loi, wo sie eine Klinik aufbauen. Leben soll bewahrt, gerettet, neues Leben erschaffen und geschont werden. Das ist ein gutes Motto für das neue Vietnam, dessen Geburt wir alle wie unsere vietnamesischen Mitbürger hier in Deutschland, so gern herbeisehnen.

Rüdiger Siebert/Heinz Kotte: Vietnam hautnah. Ein Land im Umbruch. Horlemann Verlag Bad Honnef 2006 206 Seiten 13,.30 Euro
Duong Thu Huong: Roman ohne Titel. Horlemann Verlag Bad Honnef 303 Seiten ISBN 3-89502-018-4


Quelle: gruenhelme.de