Soziale Medien machen Dissidenten kühner
- Veröffentlicht am 08. Juli 2017
- Eingereicht von Bao Tian
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Die in Vietnam bekannte Bloggerin und Umweltaktivistin Nguyen Ngoc Nhu Quynh wurde Ende Juni 2017 zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, ihr wurde vom kommunistischen Regime vorgeworfen, die nationale Sicherheit gestört und staatsfeindliche Propaganda im Internet verbreitet zu haben.
Nguyen Ngoc Nhu Quynh, besser bekannt unter ihrem Pseudonym Me Nam befand sich seit ihrer Verhaftung im Oktober 2016 in Isolationshaft und Zuschauer, die an der Gerichtsverhandlung teilnahmen, wurden streng kontrolliert.
Kaum nachdem das Urteil gesprochen wurde, fasste Nhu Quynhs Anwalt seine Argumente zusammen und verfasste die Abschlusserklärung seiner Klientin aus der Gerichtsverhandlung auf Facebook an seine 61000 Follower.
„Ich hoffe, dass jeder sein Wort erheben und kämpfen wird, dass jeder seine eigene Angst für ein besseres Vietnam überwindet", sagte die Angeklagte nach Aussagen ihres Anwalts; dieser Facebook Eintrag wurde tausende Male geteilt.
Im autoritären Vietnam ist das Internet defacto zu einem Forum für die wachsende Zahl von Dissidenten geworden. Facebook Verbindungen haben teilweise eine Oppositionsbewegung gegen die Regierungspolitik gebildet; sie spielten eine Schlüsselrolle in den Massenprotesten gegen die Regierung und ihr Handeln gegen eine Umweltkatastrophe im letzten Jahr.
Nun zieht die Regierung im Internet die Schrauben an, verhaftet und bedroht Blogger. Facebook und YouTube werden gedrängt regierungskritische Inhalte zu zensieren.
„Facebook dient mittlerweile vielen als Kontrollinstanz, so filmen sich die Menschen selbst, die verhaftet oder aus dem Gefängnis entlassen wurden. Facebook verbindet Gemeinschaften, die sonst niemals zusammenkommen würden", erklärte Phil Robertson, Direktor der Asienabteilung von Human Rights Watch.
Vietnamesischer Bericht über die Verurteilung von Nguyen Ngoc Nhu Quynh
Der Demokratieaktivist Nguyen Anh Tuan sagte, dass durch die sozialen Medien und die wachsende Zahl von Kritikern Verbindungen geschmiedet würden und ihn ermutig hätten.
Das erste Mal als ihn die Polizei im Jahr 2011 verhörte, da fühlte er sich zutiefst allein gelassen. Seine Freunde und Eltern missbilligten seine politischen Schriften und er wusste, dass es nur sehr wenige Menschen gab, die ihm helfen konnten.
Tuan ist den Schikanen der Polizei ausgesetzt, welche ihm auch den Reisepass abnahm.
In letzter Zeit wurde er vermehrt zu Befragungen geladen. Er postete eine Zusammenfassung der Befragungen auf Facebook, mit einer satirischen Anmerkung in der er forderte, dass man ihn für die Zeit bezahlen müsse, die er in Untersuchungshaft verbracht habe.
Sein Facebook Eintrag wurde rasend schnell geteilt, andere Benutzer veröffentlichten ihre Erlebnisse mit der Polizei.
„Ich fühle mich nicht mehr allein gelassen", sagte Tuan.
Vietnams Facebook Nutzer, die ca. 50% der Landesbevölkerung ausmachen, nutzen das soziale Netzwerk, um Gefängnisbesuche und Mahnwachen vor Polizeistationen für Gefangene zu organisieren sowie um Spenden für politische Gefangene zu bitten. Viele Dissidenten wechseln von politischen oder persönlichen Blogs, die von der vietnamesischen Regierung leicht gesperrt werden können, zu Facebook, das so stark genutzt wird, dass eine Sperrung unmöglich macht.
Tuan betreibt einen Spendenfonds, der Familien politisch Gefangener unterstützt, dazu gehört auch die Mutter von Nhu Quynh sowie ihre beiden Kinder.
Tuan berichtete, dass heutzutage sehr viel Unterstützung von Menschen aus dem Inland käme, die Geld von ihren Privatkonten, welche der Staat überwachen kann, schicken würden.
„Die Spender wissen sehr wohl, dass ihre Konten von der Regierung überprüft werden könnten, aber sie riskieren es", erklärte Tuan.
Das ist auch an der vietnamesischen Regierung nicht spurlos vorbeigegangen, die ihre Autorität mit neuen Mitteln behauptet. Nach Angaben von Human Rights Watch ist Nguyen Nhu Quynh eine von 100 inhaftierten Bloggern und Aktivisten in Vietnam. Pham Minh Hoang, ein weiterer bekannter Blogger, wurde die vietnamesische Staatsbürgerschaft entzogen und Ende Juni 2017 wurde er nach Frankreich, da er auch französischer Bürger ist, abgeschoben.
Strategisch unterbricht Vietnams Regierung den Zugang zu Facebook, wenn Proteste erwartet werden. Anfang 2017 baten Vietnams Kommunisten Facebook und YouTube „falsche" Identitäten und in ihren Augen „giftige" Inhalte, wie ca. 8000 regierungskritische Videos, zu löschen. Die Regierung warnte sogar einheimische Unternehmen, dass ihre Werbebanner nicht auf solchen Material erscheinen dürfen.
Facebook gab an, dass seine Geschäftsbedingungen sich nach den örtlichen Gesetzen richten würden, aber bestätigte nicht, dass irgendwelche Inhalte gelöscht wurden.
Nguyen Quang A, ein ehemaliger Informatiker und früheres Mitglied der Kommunistischen Partei, der nun zum Kritiker geworden ist, sagte, dass die derzeitige Menschenrechtssituation in Vietnam den Tiefpunkt erreicht habe.
Erst kürzlich als er plante sich mit ausländischen Journalisten zu treffen, nahm ihn die Polizei in der Nähe seines Hauses fest, fuhr mit ihm zur Küste und wieder zurück; das ganze Hin und Her dauerte insgesamt 5 ½ Stunden.
Quang A deutete darauf hin, dass er vermute, dass die Regierung unter immensen Druck durch die frustrierte Bevölkerung stünde, was den Umgang mit Enteignungen und die Handlungen gegenüber eines taiwanesischen Stahlwerks beträfe, das einen Umweltskandal auslöste.
„Die Regierung hat Angst und sie weiß, dass die Situation für sie gefährlich werden kann, deshalb werden friedliche Aktivisten als gräfliche Feinde angesehen", sagte Nguyen Quang A.
In einem Bericht von Human Rights Watch sind 36 Vorfälle seit Januar 2015 bis zum April 2017 erfasst, wo Blogger und Aktivisten Opfer von angeheuerten Schlägerbanden wurden. Die vietnamesische Polizei untersuchte lediglich nur einen Vorfall.
Pham Anh Cuong, ein Elektriker, sprach nie über Politik, doch als plötzlich ein Dissident, den er online folgte, von fünf Männern verprügelt wurde und darüber mit blutüberströmten Gesicht berichte, da erfuhr Anh Cuong erstmals, wie brutal diese Attacken waren.
„Ich bin kein richtiger Dissident, nur jemand der seine Stimme erhebt und mit anderen Menschen Informationen teilen möchte, da man den staatlichen Medien nicht trauen kann", sagte er.
Quelle:
https://www.nytimes.com/2017/07/02/world/asia/vietnam-mother-mushroom-social-media-dissidents.html
http://edition.cnn.com/2017/06/29/asia/mother-mushroom-vietnam-blogger-jailed/index.html
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