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Mai Khôi – vom Popstar zur politischen Aktivistin

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Die vietnamesische Sängerin Mai Khôi ist im Frühjahr 2016 von der Kandidatur um einen unabhängigen Platz in der Volkskammer des kommunistischen Staates ausgeschlossen worden. Die Künstlerin, die oft als „Vietnams Lady Gaga“ bezeichnet wird, nutzt ihren Bekanntheitsgrad in der Hoffnung im Land einen Wandel voranzutreiben zu können.

Mais Wohnung im Zentrum Saigons hat all die erforderlichen Dinge einer Musikerin: ein Piano, mehrere Gitarren, ein Aktgemälde und ein Sitzsack.

An einem teils schwülen Junitag stimmt die Vietnamesin eine heimatliche Blues Ballade an. Die nichtaufgezeichnete Komposition, die sie abends zuvor live auf Facebook streamte heißt: „Wir wollen nicht schweigen“. Das Lied ist langsam, planvoll, hypnotisch und weit entfernt vom Elektro-Pop, der „Vietnams Lady Gaga“ berühmt gemacht hatte.

mai khoi

Mai Khôi ist in der vietnamesischen Poplandschaft eine kontroverse Persönlichkeit, die ihr Interesse zunehmend auf die soziale Ungerechtigkeit gerichtet hat und im Frühjahr 2016 Teil der politischen Landschaft Vietnams werden wollte, als eine der 162 unabhängigen Kandidaten für einen Sitz in der Volksversammlung.

Aufgrund eines rigorosen und schleierhaften Prozesses für die engere Auswahl durch den Orwellschen Parteikörper, der als Vaterländische Front bekannt ist, wurden nur 11 unabhängige Kandidaten zur Wahl zugelassen; der niedrigste Wert seit 20 Jahren.

Mai, die sich in mehreren Fällen gegen Gewalt an Frauen und für die Rechte von Schwulen und Lesben eingesetzt hatte, kam nicht in die engere Auswahl. Sie ist zur Musik zurückgekehrt und nutzt ihr Talent, um bei den Vietnamesen ein Bewusstsein über Menschenrechte und Demokratie zu schaffen.

Die Sängerin, die mit vollem Name Đỗ Nguyễn Mai Khôi heißt, wurde 1983 geboren und stammt ursprünglich aus der Küstenstadt Cam Ranh und zog im Alter von 18 nach Saigon, um einer professionellen Musikkarriere nachzugehen. Seit ihrem ersten veröffentlichten Album im Jahr 2004 folgten bis jetzt noch acht weitere.

Berühmt ist Mai geworden, als das staatliche vietnamesische Fernsehen sie für ihr Album „Made in Vietnam“ und das Lied „Vietnam“ im Jahr 2010 auszeichnete. Das Lied ist eine Hymne an ihr Mutterland in dem die Diversität und Gastfreundschaft angepriesen wird.

„Vietnam“ wurde zum Kassenschlager und rückblickend mag es ironisch erscheinen, denn die vietnamesische Regierung hat es für Werbung in der Tourismusbranche genutzt. Mai Khôi lacht darüber, dass sie seit 2010 das Lied bis zum Überdruss spielt.

„Den Leuten wird nicht langweilig davon, deshalb spiele ich es immer. Die Vietnamesen sind sehr stolz auf ihr Land. Ich weiß nicht warum“, fragt sich die Musikerin mit einem Lachen, das eher als ein Echo ihrer Frustration über die vietnamesische Politik zu verstehen ist.

Mai hat die Liebe zur Musik von ihrem Vater geerbt, einem Musiklehrer, der ihr Gitarre und Keyboard spielen beigebracht hatte. Mit 12 Jahren spielte das frühreife Talent schon Piano in einer Hochzeitsmusikgruppe. „Ich wusste schon früh, dass ich Musikerin werden wollte. Ich liebte die Musik und sang immer.“


Mai sorgt für Aufregung

Die Vietnamesin hat seit den Tagen, wo sie für Frischvermählte vorsang einen langen Weg hinter sich und sorgte in der Vergangenheit durch ihre kontroversen offenen Ansichten für Gesprächsstoff, wie 2014 mit dem Lied „Selfie Orgasmus“, das durch die Klänge des Elektro-Pop an Madonnas „Vogue“ erinnert und gegen den Narzissmus einer digital besessenen Generation stichelt. In dem Musikvideo ist die Vietnamesin mit einer pinken Frisur tanzend in einem Lagerhaus zusehen. Kritische vietnamesische Medien bezeichneten ihre Darbietung als „unweiblich“.



Mai erzählt, dass sie die erste Frau gewesen war, die das traditionelle Áo dài mit Leggins kombiniert hatte, gepaart mit ihrer lebhaften Mähne und dem Weglassen des BHs. „Es ist viel darüber geredet worden“, sagt sie. Die Musikerin berichtet, dass sie wegen ihrer Kleidung kritisiert worden sei, aber auch die modische Sichtweise einiger Menschen verändern konnte. Sie bezeichnet ihre Stilart als „die neue vietnamesische Frau“.

„Die Regierung bemerkt, dass die Bürger von Tag zu Tag stärker werden. Wenn ich in der Öffentlichkeit bin, dann trage ich etwas, um Freiheit zu zeigen, insbesondere was Meinungsfreiheit angeht. Denn wie man sich anzieht, so sagt es auch etwas über die Person aus und hinterlässt Eindrücke bei anderen Menschen. Kritik macht dich stärker. Ich glaube, wenn jemand nur Komplimente erhält, so ist es langweilig“, antwortet Mai.

Die Wurzeln ihrer rebellischen Natur liegen in ihrer Kindheit. „Ich habe viel Ärger gemacht, aber ich war immer die Klassenanführerin“, erinnert sich die Sängerin und merkt noch an, dass sie einen Schönheitswettbewerb an ihrer Schule mit 12 Jahren gewann und sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden hatte. „Schule war sehr lustig“, erzählt sie.

Seit sie von der Volkskammer abgelehnt worden ist, berichtet Mai, hat sie Probleme mit der vietnamesischen Regierung bekommen, deren Umgang mit Dissidenten nicht sehr freundlich ist. Nach Angaben von Amnesty International sind mindestens 45 politische Gefangene seit den unfairen Gerichtsurteilen vom Dezember 2015 unter harten Bedingungen inhaftiert. Im April 2016 hatte Vietnams Volkskammer das Mediengesetz erneuert, welches Handlungen verbietet, die Gewalt oder eine verdorbene Lebensart heraufbeschwören, obszöne oder kriminelle Taten beschreiben und die Veröffentlichung von Informationen, die gegen die Werte und Traditionen des Landes verstoßen.

Regierungsbeamte in Saigon hatten eine Aufführung von Mai Khôi in Yokos Café untersagt. Auch die Saigon Ranger Bar hatte daraufhin eine geplante Show der vietnamesischen Musikerin abgesagt, um ungewollten Ärger mit den Behörden zu vermeiden.

All diese Aktionen haben Mai Khôi nicht abschrecken können, sondern noch mehr angespornt. Sie nutzt auf Facebook die Live Streaming Funktion, um Konzerte für ihre ca. 40 000 Follower zu geben.

„Soziale Medien sind heutzutage für die Bürger und Künstler ein mächtiges Instrument“, sagt sie.

Wöchentlich lädt sie neue Clips auf ihre Seite, um der Regierungsverordnung, die verlangt, dass politische Versammlungen eine Genehmigung brauchen, zu entgehen. „Während meiner Facebook Live-Show rede ich über Menschenrechte und viele soziale Probleme. Und ich schreibe beständig neue Lieder über Menschenrechte. Die Regierung fühlt, dass die Bürger von Tag zu Tag stärker werden“, sagt Mai Khôi mit einem leichten verschmitzten Lächeln.

Sie hätte es gerne, dass wenn sich die Vietnamesen nicht direkt für Politik engagieren, dann zumindest für die Themen im Land interessieren.

„Die vietnamesische Jugend misstraut der Regierung, aber kümmert sich auch nicht um Politik, da sie glauben, dass sie sowieso nichts ausrichten können“, erklärt die Musikerin.


Eine Stunde mit dem US-Präsidenten

Als im Mai 2016 US-Präsident Obama Vietnam besuchte und die Medien das Ende des Waffenembargos und den Besuch eines Bún chả Restaurants zur Kenntnis nahmen, war für Mai Khôi die Meinungsfreiheit das wichtigste Thema.

In Hanoi hatte sie Barack Obama mit fünf anderen vietnamesischen Aktivisten getroffen. Unter Ausschluss der Presse wurde an einem runden Tisch über Missstände in der vietnamesischen Gesellschaft für eine Stunde lang gesprochen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Mai geglaubt, dass das Treffen für Obama, der bei seiner Ankunft überwältigend willkommen geheißen wurde, eine Möglichkeit sei die vietnamesische Regierung zu drängen die bürgerlichen Freiheiten zu lockern. Am Ende war Mai Khôi enttäuscht über das Treffen.

„US-Politiker halten viele Reden, aber sie konnten uns diesmal nicht helfen. Obwohl die US-Regierung sehen kann, wie die Menschen hier Leid ertragen, wie z.B. die Polizeigewalt und noch vieles mehr, können die Vereinigten Staaten nicht helfen.“ In Mais Augen ist der Besuch des US-Präsidenten ein Tropfen auf dem heißen Stein gewesen, es war eine Öffentlichkeitstour für „Herz und Gedanken“, die nicht den gewünschten Wandel bringen konnte.

„Ich denke die USA haben ihre Strategie und die sagen, dass sie wiederholt die vietnamesische Regierung drängen müssen. Aber diesmal nicht. Denn jetzt können die Vietnamesen überhaupt nichts tun. Die Regierung ist zu mächtig.“

Mai sagt, dass sie plant ein Buch über das Treffen mit Obama in Vietnamesisch und Englisch zu schreiben mit dem Titel „Eine Stunde mit dem Präsidenten“. Das Buch wird auch Einblicke in den Zeitraum ihrer Kandidatur bis hin zum Treffen in Hanoi geben.

Ihre jüngsten Streifzüge durch die politische Welt scheinen sich auch auf ihre Musik ausgewirkt zu haben, die jetzt viel reifer klingt, als in den Zeiten von „Selfie Orgasmus“ und „Saigon Boom Boom“. Sie erklärt, dass ihre früheren Lieder vom unbeschwerten Umgang mit Themen, wie Liebe und Sex gehandelt hatten, die einen „hoffnungsvollen“ Blick auf Vietnam geben sollten. Damals ließ sie sich von Musikgrößen, wie Michael Jackson und ABBA inspirieren.

Jetzt spielt sie mehr Blues mit dem sie ihren Schmerz über die Zerrissenheit in ihrem Land ausdrückt, sagt sie.

„Ich sehe viele Dinge, die jetzt geschehen – die Menschen protestieren, die Polizei sperrt die Bürger weg. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die meine Seele reicher gemacht haben.“

 


Mehr von Mai unter:
https://www.facebook.com/Khôikat


Quelle:
http://sea-globe.com/mai-Khôi-interview-issue/