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Warum ich in Saigon als Masseurin arbeite
- Veröffentlicht am 18. August 2010
- Eingereicht von Bao Tian
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News America Media, Andrew Lam
Lan Pham, 21, arbeitet in einem Massagesalon im Distrikt 1 in Saigon. Es ist der Stadtteil, wo sich die meisten Touristen aufhalten, wenn sie Vietnam besuchen. Für viele junge Menschen aus den ländlichen Regionen ist die größte Stadt des südlichen Vietnams wie ein Magnet, der den Armen ein besseres Leben verspricht, die auf den Reisfeldern Knochenarbeit leisten und sich in der Schuldenfalle befinden. Pham erzählte über ihr Leben mit NAM-Redakteur Andrew Lam, der anlässlich des 35. Jahrestages zum Ende des Vietnamkrieges seine Heimat besuchte.
Saigon, Vietnam – Ich komme aus Tan Chau in der An Giang Provinz. Wir sind sechs in unserer Familie, alle Bauern. Ich bin jetzt seit vier Jahren in Saigon.
Können Sie sich vorstellen, wie schwer das Leben als Bauer ist? Man ist das ganze Leben lang verschuldet und lebt von der Hand in den Mund. In der Zeit bis der Reis reif wird muss man sich Geld leihen, um die Familie zu ernähren. Dann wenn der Reis geerntet werden kann, zahlt man seinen Kredit mit all den Zinsen zurück. Kommt es aber zu einer Flut oder Missernte, dann muss man sich noch mehr Geld leihen, damit die Familie überleben kann und man steht in den Schulden. Nach einer Weile entschließt man sich auch Dinge zu tun, die man nicht machen wollte.
Meine Eltern hatten immer Schulden, sie konnten die vier Kinder nicht versorgen. Meine Schwester heiratete mit 17 einen alten Mann aus Taiwan, den sie vorher noch nie gesehen hatte, bis er zur Hochzeit auftauchte und sie heiratete. Sie musste Geld verdienen und schickte es etwa ein Jahr lang nach Hause, aber seitdem wissen wir nicht, was mit ihr passiert ist.
Das ist jetzt schon mehrere Jahre her und es hat den Anschein, dass meine Schwester verschwunden ist. So verschuldete sich wieder meine Familie, weil wir mit dem Geld meiner Schwester begonnen hatten das Haus zu reparieren, aber es war nicht genug. Nun war ich an der Reihe meiner Familie zu helfen.
Ich bin die zweitälteste und meine Familie ist mir wichtiger als mein eigenes Leben, deswegen würde ich alles Mögliche tun. Ob ich mit dem was ich mache zufrieden bin? Sind Sie verrückt? Nein, ich habe schon mein Leben ruiniert, aber es ist besser als mit ansehen zu müssen, wie die Familie verhungert oder von ihrem Land vertrieben wird.
Aber bei wem soll ich mich schon beschweren? Saigon ist voll von Auswärtigen, so wie ich, es sind Leute, die versuchen ein Leben aufzubauen und zu überleben. Kommen Sie zum vietnamesischen Neujahr hierher und die Straßen sind geleert. Jeder fährt nach Hause in seine Provinz um mit der Familie zusammen zu sein. Es ist die einzige Pause von den Dingen, was immer wir arbeiten, um unsere Familie zu unterstützen und bei ihnen zu sein.
Als ich nach Saigon kam hätte ich nie gedacht, dass das Leben so wohlhabend sein kann. All die großen Häuser und glänzenden Autos, aber die Saigoner schauen auf uns Provinzmenschen herab, sie schauen auf Bauern herab. Sie denken, dass wir dumm sind, aber ich gehörte auch immer zu den besten in meiner Schulklasse. Ich lese Bücher und Tageszeitungen, aber sie denken, dass ich dumm wäre oder des Lesens nicht mächtig. Ich musste die Schule nach der 9. Klasse verlassen um meiner Familie zu helfen. Hätte ich andere Möglichkeiten gehabt, hätte ich die Schule weitergemacht.
Was musste ich in den Nachrichten lesen? Mehr Golfplätze werden gerade gebaut und Milliarden von Dollar investiert. Aber wo ist das Geld für den Rest von uns? Die Reichen bauen Villen mit Goldvertäfelung an der Zimmerdecke und sie spielen Golf. Aber die Brücken, die die Regierung in den Provinzen bauen ließ, stürzten wiederholt ein. Die Reichen spielen Tennis und dann kommen sie hier für eine Massage vorbei und behandeln die Frauen wie Dreck.
Wenn ich Präsident wäre, würde ich die Armen versorgen und für Obdachlose Unterkünfte bauen. Ich würde etwas unternehmen, damit den armen Leute geholfen wird. Ich würde nicht die Menschen von ihrem Land vertreiben, damit Reiche ihre Hochhäuser oder Golfplätze darauf bauen.
Was meine Kunden betrifft: Ich mag keine Amerikaner. Ich finde Australier gut, die sind nett, höflich und lustig. Ein paar sagten, dass sie mich heiraten wollten, nachdem ich sie massiert hatte – aber es ist alles Lüge. Sie würden noch ein paar Male vorbei kommen bevor sie wieder nach Hause fahren.
Aber ich will keinen Vietnamesen heiraten, weil die Betrüger sind, man kann ihnen nicht trauen. Sie behandeln Frauen wie Müll, besonders Frauen wie meine Art. Wir sind nur Dinge, die nach dem Gebrauch weggeworfen werden. Die Vietnamesen sind lausige Trinkgeldgeber, sie geben uns nichts, nur wenn man sie darauf aufmerksam macht. Manchmal beschimpfen sie einen, nachdem man die Arbeit getan hat. Ab und zu wenn ich auf ihren Rücken stehe, um eine Massage durchzuführen, würde ich ihnen gerne ins Genick treten [Lan lacht].
Aber ich verdiene nun genug Geld um meiner Familie zu helfen und dass meine zwei jüngeren Geschwister weiter zur Schule gehen können. Und selbst wenn ich noch Geld über habe, dann verwende ich es um Massagen für mich zu bezahlen [Lan lächelt]. Ich bin seriös, es ist harte Arbeit, was ich mache.
Ich weiß, dass ich den Beruf nicht ewig machen kann [Tränen laufen aus Lans Augen]. Aber wenn ich als Köchin oder Fabrikarbeiterin tätig wäre, dann würde ich kaum etwas verdienen und meine Familie würde in Schwierigkeiten kommen. Ich weiß, ich brauche Qualifikationen um zu überleben, aber welches Fachwissen soll ich bekommen, wenn ich kein Geld für die Schule habe?
Meine größte Sorge ist es jetzt, dass es für mich schwer wird zu heiraten, denn ab dem Moment, wenn alle wissen dass ich eine Masseurin bin, denken sie, dass ich eine schlechte Person wäre. Ich habe keine Chance mit jemanden anständigen zusammenleben zu können. Ich sehe keinen Ausweg.
Aber auch die Masseurinnen haben große Träume. Ich träume davon, dass ich eines Tages einen Ehemann finden werde und dass ich genug Geld habe, um meine Schwester wiederzufinden und sie nach Hause zu bringen. Dann würde ich uns ein schönes Haus bauen, so dass die ganze Familie dort leben kann. Aber ich weiß nicht ob es jemals geschehen wird.
Quelle: newamericamedia.org
Lan Pham, 21, arbeitet in einem Massagesalon im Distrikt 1 in Saigon. Es ist der Stadtteil, wo sich die meisten Touristen aufhalten, wenn sie Vietnam besuchen. Für viele junge Menschen aus den ländlichen Regionen ist die größte Stadt des südlichen Vietnams wie ein Magnet, der den Armen ein besseres Leben verspricht, die auf den Reisfeldern Knochenarbeit leisten und sich in der Schuldenfalle befinden. Pham erzählte über ihr Leben mit NAM-Redakteur Andrew Lam, der anlässlich des 35. Jahrestages zum Ende des Vietnamkrieges seine Heimat besuchte.
Saigon, Vietnam – Ich komme aus Tan Chau in der An Giang Provinz. Wir sind sechs in unserer Familie, alle Bauern. Ich bin jetzt seit vier Jahren in Saigon.

Meine Eltern hatten immer Schulden, sie konnten die vier Kinder nicht versorgen. Meine Schwester heiratete mit 17 einen alten Mann aus Taiwan, den sie vorher noch nie gesehen hatte, bis er zur Hochzeit auftauchte und sie heiratete. Sie musste Geld verdienen und schickte es etwa ein Jahr lang nach Hause, aber seitdem wissen wir nicht, was mit ihr passiert ist.
Das ist jetzt schon mehrere Jahre her und es hat den Anschein, dass meine Schwester verschwunden ist. So verschuldete sich wieder meine Familie, weil wir mit dem Geld meiner Schwester begonnen hatten das Haus zu reparieren, aber es war nicht genug. Nun war ich an der Reihe meiner Familie zu helfen.
Ich bin die zweitälteste und meine Familie ist mir wichtiger als mein eigenes Leben, deswegen würde ich alles Mögliche tun. Ob ich mit dem was ich mache zufrieden bin? Sind Sie verrückt? Nein, ich habe schon mein Leben ruiniert, aber es ist besser als mit ansehen zu müssen, wie die Familie verhungert oder von ihrem Land vertrieben wird.
Aber bei wem soll ich mich schon beschweren? Saigon ist voll von Auswärtigen, so wie ich, es sind Leute, die versuchen ein Leben aufzubauen und zu überleben. Kommen Sie zum vietnamesischen Neujahr hierher und die Straßen sind geleert. Jeder fährt nach Hause in seine Provinz um mit der Familie zusammen zu sein. Es ist die einzige Pause von den Dingen, was immer wir arbeiten, um unsere Familie zu unterstützen und bei ihnen zu sein.
Als ich nach Saigon kam hätte ich nie gedacht, dass das Leben so wohlhabend sein kann. All die großen Häuser und glänzenden Autos, aber die Saigoner schauen auf uns Provinzmenschen herab, sie schauen auf Bauern herab. Sie denken, dass wir dumm sind, aber ich gehörte auch immer zu den besten in meiner Schulklasse. Ich lese Bücher und Tageszeitungen, aber sie denken, dass ich dumm wäre oder des Lesens nicht mächtig. Ich musste die Schule nach der 9. Klasse verlassen um meiner Familie zu helfen. Hätte ich andere Möglichkeiten gehabt, hätte ich die Schule weitergemacht.
Was musste ich in den Nachrichten lesen? Mehr Golfplätze werden gerade gebaut und Milliarden von Dollar investiert. Aber wo ist das Geld für den Rest von uns? Die Reichen bauen Villen mit Goldvertäfelung an der Zimmerdecke und sie spielen Golf. Aber die Brücken, die die Regierung in den Provinzen bauen ließ, stürzten wiederholt ein. Die Reichen spielen Tennis und dann kommen sie hier für eine Massage vorbei und behandeln die Frauen wie Dreck.
Wenn ich Präsident wäre, würde ich die Armen versorgen und für Obdachlose Unterkünfte bauen. Ich würde etwas unternehmen, damit den armen Leute geholfen wird. Ich würde nicht die Menschen von ihrem Land vertreiben, damit Reiche ihre Hochhäuser oder Golfplätze darauf bauen.
Was meine Kunden betrifft: Ich mag keine Amerikaner. Ich finde Australier gut, die sind nett, höflich und lustig. Ein paar sagten, dass sie mich heiraten wollten, nachdem ich sie massiert hatte – aber es ist alles Lüge. Sie würden noch ein paar Male vorbei kommen bevor sie wieder nach Hause fahren.
Aber ich will keinen Vietnamesen heiraten, weil die Betrüger sind, man kann ihnen nicht trauen. Sie behandeln Frauen wie Müll, besonders Frauen wie meine Art. Wir sind nur Dinge, die nach dem Gebrauch weggeworfen werden. Die Vietnamesen sind lausige Trinkgeldgeber, sie geben uns nichts, nur wenn man sie darauf aufmerksam macht. Manchmal beschimpfen sie einen, nachdem man die Arbeit getan hat. Ab und zu wenn ich auf ihren Rücken stehe, um eine Massage durchzuführen, würde ich ihnen gerne ins Genick treten [Lan lacht].
Aber ich verdiene nun genug Geld um meiner Familie zu helfen und dass meine zwei jüngeren Geschwister weiter zur Schule gehen können. Und selbst wenn ich noch Geld über habe, dann verwende ich es um Massagen für mich zu bezahlen [Lan lächelt]. Ich bin seriös, es ist harte Arbeit, was ich mache.
Ich weiß, dass ich den Beruf nicht ewig machen kann [Tränen laufen aus Lans Augen]. Aber wenn ich als Köchin oder Fabrikarbeiterin tätig wäre, dann würde ich kaum etwas verdienen und meine Familie würde in Schwierigkeiten kommen. Ich weiß, ich brauche Qualifikationen um zu überleben, aber welches Fachwissen soll ich bekommen, wenn ich kein Geld für die Schule habe?
Meine größte Sorge ist es jetzt, dass es für mich schwer wird zu heiraten, denn ab dem Moment, wenn alle wissen dass ich eine Masseurin bin, denken sie, dass ich eine schlechte Person wäre. Ich habe keine Chance mit jemanden anständigen zusammenleben zu können. Ich sehe keinen Ausweg.
Aber auch die Masseurinnen haben große Träume. Ich träume davon, dass ich eines Tages einen Ehemann finden werde und dass ich genug Geld habe, um meine Schwester wiederzufinden und sie nach Hause zu bringen. Dann würde ich uns ein schönes Haus bauen, so dass die ganze Familie dort leben kann. Aber ich weiß nicht ob es jemals geschehen wird.
Quelle: newamericamedia.org
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